Am 20. März 2019 feierten wir gemeinsam das jüdische Purim-Fest. Der Verbraucherservice Bayern im KDFB in Augsburg stellte uns freundlicherweise seine Räume zur Verfügung. Uns erwartete ein großzügig ausgestatteter Hauswirtschaftsraum, in dem wir uns wunderbar ausbreiten konnten.
Tanya und Dina von der jüdischen Gemeinde hatten im Vorfeld alles eingekauft und vorbereitet, was wir zum Kochen brauchten.
In friedlicher Eintracht standen eine Bahai, jüdische, muslimische und christliche Frauen beieinander, schnippelten Gemüse und bereiteten nach genauer Anweisung von Dina, einer genialen Köchin, die verschiedenen Speisen zu.
Andere Frauen kümmerten sich um die Dekoration, sie schnitten und falteten und malten, um den Raum, wo die Mahltafel stand, entsprechend zu verschönern.
Gäste waren auch willkommen. Vom VSB kamen einige, später auch noch Rabbi Henry Brandt, nachdem er in der jüdischen Synagoge zuvor mit seiner Gemeinde Purim gefeiert hatte.
Wir erfuhren die Bedeutung von Purim, nämlich dass es ein Freudenfest ist, das von jüdischen Menschen ausgelassen gefeiert wird. Es erinnert daran, dass Königin Esther das jüdische Volk aus großer Gefahr rettete. An diesem Tag laden die Menschen zu einem Festmahl ein und beschenken sich gegenseitig.
So wurde es auch für uns ein wunderbar fröhlicher und köstlicher Abend, und am Ende erhielten alle ein kleines Geschenk, so wie es Brauch ist bei Purim.
Im Mai 2019 waren wir ins Calla Frauenbildungszentrum Augsburg im Bürgerhaus in Stadtbergen zu Iftar eingeladen. Bevor wir das reichhaltige Büffet fürs Fastenbrechen genießen konnten, stellte uns Hülya die Ziele des Vereins vor.
Calla wurde 2006 von Frauen mit Migrationshintergrund in Augsburg gegründet, um die Bildung und gesellschaftliche Teilhabe von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund zu fördern, ohne parteipolitische Bindung. Die Veranstaltungen dienen der qualitativen Freizeitgestaltung, dem inter- und intrareligiösem Austausch sowie der Stärkung der Zusammenarbeit von Frauen in verschiedenen Altersgruppen und Lebensverhältnissen. Dazu zählen zukunftsorientierte Beratung und Unterstützung sowie die Durchführung von Seminaren, Kursen, Vorträgen und ähnlichen Veranstaltungen.
Dieses wunderbare Projekt von Frauen für Frauen hat uns natürlich sehr angesprochen, dient es doch auch einer Friedensarbeit, die vor allem von Frauen geleistet werden kann.
Da der Anlass für die Einladung das Fastenbrechen war, erfuhren wir von Hülya zudem interessante Fakten zum Fasten. Laut verschiedener wissenschaftlicher Studien soll auch der Verzicht auf Trinken keine gesundheitlichen Nachteile für den Körper zur Folge haben. Diese Tatsache war für viele von uns neu.
Eine ganz besondere Veranstaltung war unsere Mahlgemeinschaft am 17. Juli 2019, denn Essen und Trinken hält nicht nur Leib und Seele, sondern auch die Religionen zusammen. Das Mahl fand in der Agora (altgriech., Versammlungsplatz einer Stadt) in der Ausstellung „Augsburg 2040“ im Textil- und Industriemuseum Augsburg statt. Unter diesem Motto konnten die Teilnehmenden an diesem Abend sowohl Speisen und Getränke aus den unterschiedlichen Religionen kennenlernen und gemeinsam genießen als auch religiöse und kulturelle Hintergründe der Speisen entdecken.
Freundlicherweise stellte uns das Restaurant NUNO im TIM Geschirr, Besteck und Gläser zur Verfügung. Bevor die Gäste eintrafen, wurde die Tafel festlich mit roten Rosen und Kerzen mit Symbolen aus verschiedenen Religionen dekoriert.
Corinna Graßl-Roth (Querflöte) von der alt-katholischen Gemeinde und Fritz Nagel (Zen-Flöte) umrahmten den Abend musikalisch mit Flötenklängen. Elisabeth und Alexandra begrüßten die Gäste – Kinder, Frauen und Männer, alle waren willkommen.
Das Thema des Abends war „Gastfreundschaft“ als friedensstiftendes Ritual. Mit ihrer positiven Haltung zur Gastfreundschaft haben Religionen erst eine kulturelle Entwicklung ermöglicht. Ursprünglich war der Fremde immer der Feind. Von dem Moment an, als die Religionen den Fremden als Gast annahmen, ermöglichten sie einen kulturellen Sprung, der auch die Grundlage für ein friedliches Zusammenleben war. Die Gastfreundschaft der Religionen wollten wir mit diesem Mahl pflegen.
Islamische Speisen
Hülya, Esma und Saher versorgten uns damit.
Das Mahl begann nach islamischem Brauch mit Datteln.
Bei muslimischen Eltern ist es Brauch, eine Dattel aufzuweichen, in den Gaumen von Neugeborenen zu reiben und für das Kind zu beten. Dadurch erhofft der Vater oder die Mutter, dass ihre Gebete angenommen werden.
Auch brechen Muslime im Ramadan ihr Fasten nach dem Vorbild des Propheten Mohammeds: Sie essen einige Datteln und trinken Wasser oder Milch dazu.
Danach aßen wir zusammen eine ‚Sehnsuchtssuppe‘ (Gazpacho) von Elisabeth, begleitet von einem Gedicht, das den Wunsch nach einer Mahlgemeinschaft unter den Religionen besonders betont.
Eine weitere muslimische Speise war Aschura, das den Abschluss unseres Friedensmahles bildete.
Vom Ursprung der Speise Aschura (Noahs Festmahl) erzählt eine Legende. Als Noahs Arche nach der Sintflut auf einem Berg landete, hatten die Überlebenden das Bedürfnis, ein Fest zu feiern, um Gott für ihre Rettung zu danken. Die Vorräte waren zwar erschöpft, aber man suchte die Arche nach jedem Bissen Nahrung ab, den man finden konnte. Dann mischte man alles zusammen und feierte ein Fest, das Aschura-Fest.
Der Aschura-Tag wird immer am zehnten Tag des ersten Monats im islamischen Kalender gefeiert. Es ist Brauch, das Aschura-Gericht in großen Mengen zuzubereiten und sowohl Gästen zu servieren, als auch unter Verwandten und Nachbarn zu verteilen.
Die wichtigste Eigentümlichkeit der Aschura liegt darin, dass Nahrungsmittel, die nichts miteinander zu tun haben, zusammengemischt werden, zum Beispiel weiße Bohnen, Kichererbsen, Weizen, Aprikosen, Feigen, Rosinen, Haselnüsse, Mandeln, Mais und Granatapfelkerne.
Das Besondere dabei ist, dass jede Zutat der Aschura ihren eigenen Geschmack bewahrt, ohne aber die anderen Geschmackskomponenten zu überlagern. So entsteht ein außerordentlicher Wohlgeschmack, der drittbeste der Welt, wie behauptet wird. Und das konnten wir nur bestätigen.
Die Grundlage dieser Tradition bildete also Noah, der im Islam neben Abraham als zweiter Urvater aller Menschen gilt. Somit verbindet Noah die drei abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam miteinander.
Da die Ahmadiyya keine ausgesprochenen Speisen für ihre religiösen Feste kennen, bereitete Saher einfach einen wohlschmeckenden Gemüsetopf vor.
Christliche Speisen
Brot hat im Christentum eine besondere Bedeutung. Das gemeinsame Brechen von Brot während des Abendmahls bzw. der Eucharistiefeier erinnert an Jesu letzte Mahlfeier mit seinen Jünger*innen. In der Eucharistie feiern und erfahren Christ*innen Verbindung, sowohl mit der versammelten Gemeinschaft als auch mit dem lebendigen Gott.
Alexandra brachte dazu Roggenbrot aus der Zisterzienserinnenabtei von Oberschönenfeld mit.
Brot verbindet aber auch die Religionen miteinander.
Die jüdische Gemeinde steuerte Mazzen bei, ein ungesäuertes Brot, das zum Pessachfest als Erinnerung an die Flucht des Volkes Israel aus Ägypten gegessen wird. Damals hatten es die Menschen so eilig, dass sie auch ihr Brot in Windeseile backen mussten.
Von Saher gab es Chapati und von Hülya Pide. In der Türkei wird Pide nur im Fastenmonat Ramadan als rundes, flaches Brot gebacken. Das restliche Jahr über haben die Brote eine längliche, flache Form.
Natürlich mussten wir die verschiedenen Brote nicht trocken essen, sondern wurden mit verschiedenen selbstgemachten Aufstrichen verwöhnt.
Als Getränke wurden bei der Mahlfeier neben selbstgemachter Limonade Wasser und Traubensaft gereicht, beides aufgrund seiner spirituellen Bedeutung. Wasser dient in allen Religionen als Symbol der Reinigung, und aus Trauben wird Wein hergestellt, der im Christentum neben Brot zum Abendmahl gereicht wird, da Jesus bei seiner letzten Mahlfeier Wein mit seinen Freund*innen teilte.
Auch Osterlämmer und gefärbte Eier, die auf der Tafel verteilt waren, sind eng mit einem christlichen Fest verbunden. Diese Speisen sind zwar heidnischen Ursprungs, haben jedoch ihren Platz in den Osterbräuchen gefunden.
Jüdische Speisen
Von Frauen der jüdischen Gemeinde gab es zahlreiche köstliche Speisen und vor allem den Sederteller, dessen Bedeutung Tanya erläuterte.
Der Sederteller wird an Pessach gegessen, ein Fest, das acht Tage lang gefeiert wird und an den Auszug der Israeliten aus Ägypten erinnert, an seine Befreiung aus der Sklaverei und an seinen Bund mit Gott auf dem Sinai. Die besonderen Speisen, die an Pessach gegessen werden, sind nicht nur Nahrung für den Leib, sondern auch für die Seele. Jede einzelne Speise trägt dabei eine besondere Bedeutung.
Ein hartgekochtes Ei repräsentiert das Feiertagsopfer. Bittere Kräuter erinnern an die Bitterkeit der Sklaverei in Ägypten. Eine Mischung aus Äpfeln, Nüssen und Wein ähnelt den Ziegeln, die von Juden hergestellt wurden, als sie für den Pharao schufteten. Das Wurzelgemüse spielt auf die zermürbende Arbeit der Juden als Sklaven an. Und der Salat symbolisiert die bittere Versklavung der Juden in Ägypten.
Bahai
Barbara versorgte uns mit Shirin Polo, dem Sehnsuchtsreis. Hier handelt es sich zwar nicht um eine ausgesprochen religiöse Speise, aber der Reis wird traditionell zu Hochzeiten gereicht.
Normalerweise wird er mit Huhn zubereitet, aber da wir uns entschieden hatten, beim Friedensmahl kein Fleisch zu reichen, gab es ihn vegetarisch mit Safran und Orangen, Mohrrüben, Mandeln und Pistazien. Das Ergebnis war köstlich!
Die Mahlgemeinschaft mit unseren Gästen erwies sich als äußerst beglückend. Wir alle konnten eine Fülle an köstlichen Speisen genießen, bereichert durch wunderbare Flötenklänge und dem guten Gefühl, in aller Verschiedenheit verbunden zu sein - und zwar mit dem Herzen.
Essen und Trinken hält in der Tat nicht nur den Leib zusammen, sondern auch die Religionen.
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